Die Schattenseite der Universität. Akademische Prekarität in der longue durée, ca. 1150–1945

Die Schattenseite der Universität. Akademische Prekarität in der longue durée, ca. 1150–1945

Organisatoren
Joëlle Weis, Universität Trier; Tobias Winnerling, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
PLZ
40225
Ort
Düsseldorf
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
17.06.2022 - 18.06.2022
Von
Tobias Winnerling, Institut für Geschichtswissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Die aktuellen Diskussionen rund um das deutsche Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das unter dem Schlagwort #ichbinHanna öffentlichkeitswirksam kritisiert worden ist, und ähnliche Bestimmungen in der Schweiz, Österreich und anderen Ländern zeigen, dass prekäre Arbeitsverhältnisse im heutigen Wissenschaftsbetrieb eine Normalität sind. Lange Zeit haben sogenannte Nachwuchswissenschaftler:innen sich für eine vermeintliche Traumkarriere mit kurzen Vertragslaufzeiten, unsicheren finanziellen Situationen oder unbezahlten Überstunden abgefunden, auch weil ihnen vermittelt wurde, dies alles gehöre systemisch notwendig dazu. In der Tat zeichnen viele Quellen ein ähnliches Bild von den historischen Verhältnissen an Universitäten, die freilich bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ganz anders funktionierten. Die Frage, inwiefern hier Vergleiche möglich und produktiv sind, drängt sich daher geradezu auf. Das Ziel der Tagung war es, das Verhältnis von akademischer Arbeit und Prekarität historisch zu beleuchten, um so Mechanismen der In- und Exklusion und ihre Folgen für den wissenschaftlichen Betrieb besser verstehen zu können. In der aktuellen wie in der historischen Diskussion gilt es, die Frage zu beantworten, ob Prekarität ein notwendiger Bestandteil des universitären Komplexes und damit des Wissenschaftssystems ist, oder ob sie als Ergebnis kontingenter historischer Entwicklungen gesehen werden muss, die sich pfadabhängig stabilisierten. Dafür ist der Blick über die longue durée der europäischen Universitätsgeschichte unverzichtbar, um Kontinuitäten, Diskontinuitäten und Innovationen feststellen und einordnen zu können.

In der Einleitung durch JOËLLE WEIS (Trier) und TOBIAS WINNERLING (Düsseldorf) wurden zunächst der Gegenstandsbereich umrissen und die begrifflichen Grundlagen der zu diskutierenden Fragen problematisiert. Grundsätzlich stellte sich die Frage, inwieweit „Prekarität“ als soziologischer Begriff, der für die Verhältnisse des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt wurde, in vormodernen Zeiten überhaupt anwendbar sei, da unter den Bedingungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit eigentlich nahezu jedes Arbeitsverhältnis und jede Lebenssituation nach modernen Maßstäben als prekär bewertet werden müssten. Zurückgehend auf die Rechtsfigur des Prekariums lasse sich aber plausibel machen, dass auch die Vormoderne das Konzept kannte und nutzte und durchaus nach ihren Maßstäben sichere von unsicheren Beschäftigungsbedingungen und Lebensverhältnissen abgrenzte. Es müsse freilich noch herausgearbeitet werden, was die Spezifika der akademischen Prekarität der Vormoderne seien, und ob das Konzept für die Beschäftigung mit der universitären Lebenswelt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit einen Mehrwert erbringe. Das zu prüfen sei Aufgabe der Tagung.

PAULINE SPYCHALA (Paris) nahm in ihrem Vortrag die Studenten der deutsch-englischen Nation an der spätmittelalterlichen Universität Paris im 14. und 15. Jahrhundert in den Blick. Die Universität zog im Betrachtungszeitraum gut 1.000 Studierende aus dem Heiligen Römischen Reich an, bot ihnen aber kaum genügend Unterkünfte und Verpflegungsmöglichkeiten. Um selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, verfügten viele Studierende aber nicht über genug Mittel, so dass sie sich zu Vereinigungen zusammenschlossen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Dennoch gelang es auch diesen Vereinigungen nicht, eigene Unterbringungshäuser in Paris zu erwerben; da viele ihrer Mitglieder kaum Beiträge zahlen konnten, waren die Vereinigungen auf Mischkalkulationen angewiesen, die aber nicht immer aufgingen (wenn sich nicht genügend vermögende Studierende fanden). Die Studierenden waren also ökonomisch zumeist in prekärer Lage. Das hinderte sie allerdings nicht, weiterhin nach Paris zu strömen, das Studium war also offenbar trotz der prekären Bedingungen durchaus attraktiv.

Im Vortrag von MARTIN GEDIGK (Karlsruhe) stand die Ratgeberliteratur im Fokus, die im 17. und vor allem 18. Jahrhundert für Studierende geschrieben wurde und gezielt die Angehörigen der oberen sozialen Schichten ansprach. Die Autoren solcher Ratgeber waren selbst bürgerliche Studenten, die sich hinsichtlich ihres Habitus allerdings an den adeligen Kommilitonen orientierten. Studierende wurden in diesen Werken angehalten, sich gruppenkonform zu kleiden, zu verhalten und zu verköstigen, wobei die wohlhabenden adligen Studierenden als Maßstab gesetzt wurden. Studierende, die ein Stipendium bezogen oder an einem Freitisch aßen, wurden in dieser Literatur daher abgewertet: Sie seien nicht Herren ihrer selbst und müssten sich zudem öffentlich als arm bekennen. Das lag daran, dass die Stipendien kaum je erhöht wurden und daher stetig an Kaufkraft verloren, so dass sie im 18. Jahrhundert kaum noch zum Leben reichten. Innerhalb der Studierendenschaft lasse sich also durchaus von prekären Verhältnissen sprechen.

JONATHAN VOGES (Hannover) sprach über die Völkerbundkommission für geistige Zusammenarbeit, in deren Rahmen Marie Curie als Mitglied der Kommission in den 1920er-Jahren versuchte, über ein internationales Stipendienprogramm bessere Perspektiven für Nachwuchswissenschaftler:innen zu schaffen. Denn da für diese nur schlechte Aussichten bestünden, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz zu bekommen, entstünde ein disruptives Potential, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohe, so politische Analysen der Zwischenkriegszeit. Besonders Postdoktorand:innen wurden dabei in den Blick genommen. Die Kommission arbeitete sehr fleißig und produzierte über massenhaft verteilte Fragebögen eine serielle Quellenmasse, die noch kaum ausgewertet wurde. Das so dokumentierte Problembewusstsein führte allerdings nicht dazu, dass das fortschrittlich konzipierte Stipendienprogramm auch effektiv genutzt worden wäre.

Anhand eines zufällig überlieferten Quellenkonvolutes aus der Universität Leipzig stellte KARSTEN ENGEL (Basel) die Konflikte vor, die unter den Magistern der Universität im Jahr 1502 deutlich wurden, als Herzog Georg von Sachsen die Universität reformieren wollte, um gegenüber der Neugründung in Wittenberg konkurrenzfähig zu bleiben. Dafür ließ er Gutachten aus dem Lehrkörper einholen, in denen nach Verbesserungspotentialen gefragt wurde. Aus den Dokumenten gehe aber vor allem hervor, dass die Magister sich über ihre eigene prekäre Lage beklagten. Besonders die dienstjüngeren Magister im Kollegium fühlten sich von den älteren Kollegen benachteiligt, denn erst nach sieben Jahren Zugehörigkeit konnte man Mitglied der Fakultätsversammlung werden, die darüber entschied, wer wann welche Vorlesungen halten durfte und damit welche Kolleggelder einnehmen konnte. Deutlich wurde, dass die so entstehende Konkurrenz der Universitätsangehörigen untereinander der unzureichenden Fundation geschuldet war, an der sich aber auch nichts änderte, so dass das Problem bestehen blieb.

CHRISTINA STEHLING (Marburg) untersuchte zwei Marburger Professorenhaushalte des 18. Jahrhunderts in ökonomischer Hinsicht unter besonderer Berücksichtigung der Ehefrauen und weiterer Verwandtschaftsverhältnisse. Weil die professorale Besoldung in Marburg nicht genügte, um eine Familie zu unterhalten, kam dem Vermögen und den ökonomischen Aktivitäten der Ehefrauen eine zentrale Rolle in der Finanzierung des Haushaltes zu. Dabei war ein familiäres Netzwerk vor Ort wesentlich, um gegenseitige Hilfeleistung in finanzieller und materieller Hinsicht zu organisieren, in Marburg stark ausgeprägt durch die engen Heiratskreise der Universitätsangehörigen. Für soziale Aufsteiger, die neu in die Professorenschaft kamen und nicht bereits darüber verfügten, musste daher über Patenschaften und andere soziale Verpflichtungen eines geschaffen werden. Diese Verbindungen erfüllten die Funktion eines sozialen Sicherungssystems, dessen Nutzen für die Universität im Statuserhalt lag: Armut bedeutete Schande, auch im professoralen Bereich.

Im Vortrag von ANDREAS HUBER (Wien) wurde die Kategorie des Geschlechts als akademischen Prekaritätsfaktors anhand der Wissenschaftlerinnen beleuchtet, die von 1918 bis 1945 an der Universität Wien tätig waren. Dabei handelte es sich um etwa 300 Personen oder circa zehn Prozent des gesamten Lehrpersonals, von denen 20 habilitierten und damit theoretisch die Voraussetzungen mitbrachten, berufen zu werden, was aber nur sieben Frauen auch gelang. Grundsätzlich lasse sich festhalten, dass die meisten der 300 nur sehr kurzfristig und überwiegend auf Hilfskraftstellen beschäftigt wurden und erfolgreiche Karrieren nur in Abhängigkeit von Männern gelangen: Wichtige Faktoren waren Doktorväter mit hohem akademischen Status und Heiratsverbindungen mit reputierten Wissenschaftlern. Der prekäre Status der akademischen Beschäftigung sei allerdings nicht mit der ökonomischen Situation der Frauen gleichzusetzen – vielmehr sei es so, dass finanzielle Mittel die akademische Prekarität ausgleichen konnten, dass also wohlhabende Frauen deutlich bessere Chancen innerhalb des Systems hatten, weil sie sich prekäre Beschäftigung leisten konnten.

JACOB SCHILLING (Gotha) stellte am Beispiel der sächsischen „Societät der christlichen Liebe und Wissenschaft“ das privat organisierte System der Hinterbliebenenfürsorge innerhalb des akademischen Systems des 18. Jahrhunderts vor. Die Versorgung von Witwen und Waisen von Akademikern, sei es an der Universität oder bei Pfarrern, Lehrern oder Ärzten, wurde bis ins 19. Jahrhundert privat organisierten Selbsthilfegesellschaften überlassen, die einer „Verelendung des Gelehrtenstandes“ entgegenwirken sollten. Solche Kassen versprachen Unterstützung bei den Bestattungskosten und finanzielle Sorge für die Hinterbliebenen, was sich allerdings trotz kameralistischer und versicherungsmathematischer Anstrengungen in der Realität als schwierig bis kaum umzusetzen erwies. Über die rein ökonomische Dimension hinaus sollten diese Gesellschaften auch ideelle Unterstützung für ihre Mitglieder bieten, indem sie dafür sorgten, dass Verstorbene eine gedruckte Memoria erhielten und Kindern der Eintritt ins soziale Netzwerk der Eltern erleichtert wurde. Eine zumindest partielle Prekarisierung des Gelehrtenstandes war so aber nicht aufzufangen.

Dass gelehrter Erfolg im 18. Jahrhundert weder eine akademische Karriere noch ökonomische Sicherheit gewährleisten konnte, illustrierte MARCUS STIEBING (Stuttgart) am Beispiel Friedrich Schillers, der sich zwar in den 1780er-Jahren als Schriftsteller, Theaterdichter und Historiker bereits einen guten Namen gemacht hatte, der aber selbst nicht aus wirtschaftlich sicheren Verhältnissen stammte und daher stets von den Zuwendungen Dritter abhängig war. Das führte dazu, dass Schiller seine akademische Karriere hochverschuldet antrat und sich erst Ende des 18. Jahrhunderts im Weimarer Hof halbwegs finanziell sanieren konnte. Als Professor war Schiller dagegen auf die Kolleggelder seiner Studierenden angewiesen und damit darauf, dass seine Vorlesungen möglichst gut besucht waren, was zu seinen idealistischen Botschaften zum Unterschied von extrinsisch motivierten Brotgelehrten und philosophisch Interessierten, die Wissenschaft rein um des Erkenntnisgewinns willen betrieben, in einem gewissen Widerspruch stand – möglicherweise, weil Schiller sich selbst trotz seiner Lage nicht als prekär wahrnahm.

LENA OETZEL (Salzburg) zeigte an der Autobiographie des Historikers Karl Brandi (1868–1946), dem als Mediävist Anfang des 20. Jahrhunderts eine sehr erfolgreiche akademische Karriere gelang, wie Brandi im Rückblick mit der Zeit seiner eigenen prekären Beschäftigung vor der Berufung auf die Göttinger Professur umging. Von 1890 bis 1897 musste Brandi sich über Honorarverträge, Kolleggelder als Privatdozent, Werkverträge mit der historischen Kommission und „Damenkurse“ für bildungswillige bürgerliche Frauen finanzieren und lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen. In seinen Aufzeichnungen schilderte er diese Zeit ausführlich bis hin zur strategisch optimierten Wahl einer konfessionsverschiedenen Ehefrau zur Erhöhung der Berufungschancen, aber ohne sie zu kritisch zu reflektieren. Brandi beschreibe diese Zeit vielmehr als eine Phase der Prüfung und Selbstbehauptung und akademische Prekarität damit als notwendigen Selektionsmechanismus innerhalb des Wissenschaftssystems.

ELIZABETH HARDING (Wolfenbüttel) betrachtete die Diskurse um die „Akademikerschwemme“ des 18. Jahrhunderts als ein spezifisch vormodernes Phänomen. Vor dem Hintergrund einer behaupteten „Studiersucht“, die dazu führe, dass mehr Menschen studierten, als, modern gesprochen, volkswirtschaftlich überhaupt benötigt würden, wurde im 18. Jahrhundert darüber diskutiert, welche Funktionen Universitäten sozial wahrnehmen sollten und welcher Regelungsrahmen sie dazu am besten befähigen würde. Akademische Prekarität wurde dabei im Rahmen einer moralischen Ökonomie als einerseits wünschenswerte Begleiterscheinung stimulierender Konkurrenz gesehen, aber auch als Bedrohung des sozialen Status des Gelehrtenstandes und seiner Privilegien. Innerhalb der ständischen Gesellschaft stieß der Diskurs über die Ökonomisierung der Universitäten rasch an Grenzen, weil die akademische Welt und ihre Logiken sich einer direkten Übersetzung in monetarisierbare Prozesse entzogen. Die Diskussion darüber, wie viele Studierende wünschenswert seien, spiegele also immer auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit.

Diskurse um soziale Ungleichheit im akademischen Bereich standen auch im Fokus des Vortrags von MONIKA WULZ (Zürich). In den Jahrzehnten um 1900 wurde unter dem Schlagwort vom „geistigen Proletariat“ auf die prekären Bedingungen im Wissenschaftssystem hingewiesen, was nach dem Ersten Weltkrieg vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Zwischenkriegszeit an Prägnanz gewann. Kritisiert wurde, dass wegen der unsicheren wirtschaftlichen Verortung der Hochschullehrer:innen – als Professor:innen einerseits besoldete Beamte, andererseits aber kapitalistische Unternehmer:innen auf eigene Rechnung, die Hörergelder, Prüfungsgelder, Publikations- und Patenteinnahmen erzielen sollten – Privatdozenturen und Professuren zum „Spielzeug der Reichen“ würden. Aus der Diskussion erwuchsen zwar viele Vorschläge, wie das Problem behoben werden könnte, aber keiner davon wurde je umgesetzt.

ANTONIN DUBOIS (Frankfurt am Main) befasste sich mit konkreten Maßnahmen, die in Frankreich und Deutschland zwischen den 1880er- und 1930er-Jahren ergriffen wurden, um dem gesamteuropäisch als solches empfundenen Problem des „akademischen Proletariats“ Herr zu werden. Sowohl in Frankreich wie in Deutschland wurde zunächst versucht, mit Reformen des Stipendienwesens und Anhebungen des Prüfungsniveaus die Zahl der Studierenden zu begrenzen, weil diese Gruppe im öffentlichen Diskurs weitgehend ohne Stimme blieb. In beiden Ländern nahmen diese Diskussionen schnell einen nationalistischen Charakter an – die Zahl der ausländischen Studierenden sollte gesenkt werden – und in Deutschland zunehmend auch einen antisemitischen. Während in Demokratien solche Eingriffe schwierig gewesen seien, führten sowohl NS-Deutschland als nach 1940 auch das Vichy-Regime sehr strikte Studienbegrenzungen ein, die ausländische, jüdische und weibliche Studierende massiv diskriminierten und die Studierendenzahlen rasch sinken ließen, ohne allerdings die Diskussion zu beenden.

In der Abschlussdiskussion wurden sich die Teilnehmenden rasch darüber einig, dass das anfangs durchaus skeptisch gesehene Konzept akademischer Prekarität sowohl für die Vormoderne als auch für die Moderne anwendbar sei und einen analytischen Mehrwert verspreche, um bisher wenig behandelten blinden Flecken des Wissenschaftssystems auf die Spur zu kommen. Es sei dabei für eine strukturierte Behandlung des Themas wichtig, verschiedene Prekaritätsdimensionen in den Blick zu nehmen: Akademische Prekarität habe eine moralische, eine ökonomische und eine soziale Dimension, und könne sich in diesen Dimensionen unterschiedlich äußern. Weiterhin gelte es zwischen einer strukturell-institutionellen und einer individuell-biographischen Sichtweise auf das Phänomen zu unterscheiden, die allerdings beide gleichermaßen berechtigt seien. Um die jeweils zeitspezifischen Ausprägungen des Phänomens ausdifferenzieren zu können, sei der Kontext der jeweils aktuellen Idealvorstellungen von wissenschaftlichem System und akademischem Leben stets ebenso zu berücksichtigen wie die Frage nach den Diskrepanzen zwischen Diskurs und der jeweiligen sozialen und ökonomischen Situation. Schwierigkeiten wurden hinsichtlich der Quellenlage ebenso gesehen wie bei der Frage, wie sich das bloße Nachschreiben zeitgenössischer Beobachtungen und Behauptungen überwinden ließe, aber alle Teilnehmenden waren sich sicher, dass weitere Forschungen in diese Richtung sinnvoll und notwendig seien.

Konferenzübersicht:

Joëlle Weis (Trier) / Tobias Winnerling (Düsseldorf): Begrüßung, Einleitung

Panel I: Prekärität auf dem Weg zur Qualifikation

Pauline Spychala (Paris): Die Prekarität der internationalen Mobilität: das Beispiel der ausländischen Mitglieder der Universität Paris im Spätmittelalter

Martin Gedigk (Karlsruhe): „So viel Reichtum, so viel Ehre“. Literarische Projektionen studentischer Lebensverhältnisse

Jonathan Voges (Hannover): Internationale Lösungen für die Schattenseite der Universität. Die Völkerbundkommission für geistige Zusammenarbeit und die Probleme der Post-Graduierten

Panel II: Akademischer Umgang mit Prekarität

Karsten Engel (Basel): Wenn das Los entscheidet... Praktiken im Umgang mit Prekarität an der spätmittelalterlichen Universität Leipzig

Christina Stehling (Marburg): „… daß sie meine Kleydung und Linnen gebrauchen kann“. Im Schatten der Wissenschaft: Ökonomische Bedrängnis von Professorenfamilien im 18. Jahrhundert

Andreas Huber (Wien): Prekarität und Geschlecht. Wissenschaftlerinnen an der Universität Wien 1918 bis 1945

Panel III: Selbst- und Prekaritätswahrnehmungen

Jacob Schilling (Gotha): „Viel Bücher viel Kinder/ Wenig Schaff und wenig Rinder.“ Zur Versorgung von Witwen und Waisen von Gelehrten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
Marcus Stiebing (Stuttgart): Akademischer Idealismus versus ökonomische Unsicherheit. Friedrich Schiller (1759-1805) und das Geld
Lena Oetzel (Salzburg): Perspektiven aus dem System auf das System. Die Autobiographie des Historikers Karl Brandi (1868–1946) und das deutsche Wissenschaftssystem zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik

Panel IV: Prekaritätsdiskurse

Elizabeth Harding (Wolfenbüttel): Unsichere Handlungsspielräume. Beschreibungs- und Deutungsansätze von „Akademikerschwemmen“-Diskursen in der Aufklärung

Monika Wulz (Zürich): Geistige Arbeit und soziale Ungleichheit. Diskurse um 1900

Antonin Dubois (Frankfurt am Main): Gegen die akademische Prekarität handeln? Debatten und Maßnahmen um das „akademische Proletariat“ in Deutschland und Frankreich (ca. 1880 bis 1933/1941)

Abschlussdiskussion

Redaktion
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